Analyse

Distance Caregiving – Unterstützung und Pflege auf räumliche Distanz – 2022

Auf dieser Seite lesen Sie eine Zusammenfassung der Analyse Distance Caregiving – Unterstützung und Pflege auf räumliche Distanz. Die vollständige Analyse können Sie kostenfrei herunterladen.

Pflegende Angehörige in räumlicher Distanz zu der von ihnen unterstützten Person werden in der englischsprachigen Fachliteratur als „Distance Caregiver“ bezeichnet. Ab wann man in der Forschung von Pflege auf Distanz spricht, wird zum Beispiel anhand zeitlicher oder räumlicher Kriterien gewertet.

Über die Zahl pflegender Angehöriger auf räumliche Distanz in Deutschland gibt es bisher keine belastbaren Schätzungen. Aufgrund der zunehmenden Arbeits- und Wohnortmobilität der Bevölkerung hat auch die räumliche Distanz zwischen den Generationen zugenommen. Erwachsene Kinder leben immer seltener in der Nachbarschaft oder am gleichen Ort wie ihre Eltern. Es ist zu erwarten, dass sich dieser Trend in den kommenden Jahren weiter fortsetzen wird. Im Zuge dessen dürfte auch die Zahl pflegender Angehöriger steigen, die aus der Distanz heraus unterstützen.

Pflegende Angehörige gelten im Durchschnitt als physisch und vor allem psychisch stärker belastet als Menschen ohne Pflegeverantwortung. Es ist jedoch wenig zu den Belastungen und speziellen Herausforderungen in der besonderen Situation der Pflege auf Distanz bekannt.

Die vorliegende Untersuchung soll einen Beitrag dazu leisten, die Situation Pflegender, die nicht im näheren Umfeld der pflegebedürftigen Person wohnen, zu beleuchten.

Schwerpunkte der Studie waren unter anderem:

  • Einbindung in die Pflege (zum Beispiel zeitlicher Umfang und Art der Unterstützungsleistungen) sowie
  • Herausforderungen bei der Pflege auf räumliche Distanz (zum Beispiel Belastungsgefühle der Befragten).

Befragt wurden dazu 1.007 Personen ab 40 Jahren, die eine pflegebedürftige Person ab 60 Jahren aus ihrem persönlichen Umfeld seit mindestens sechs Monaten in deren Alltag unterstützen. Zu den pflegebedürftigen Personen wurden auch solche gezählt, die noch keinen Pflegegrad nach § 14 SGB XI haben. Dabei war es unerheblich, ob die pflegebedürftige Person in der eigenen Häuslichkeit, dem betreuten Wohnen oder einer Einrichtung der stationären Langzeitpflege lebt.

Als Kriterium für „Distanz“ wurde die zeitliche Distanz herangezogen, wobei ab einer einfachen Wegezeit von mindestens 20 Minuten das Kriterium „Pflege auf räumliche Distanz“ als erfüllt galt.

Herausforderungen bei der Pflege auf räumliche Distanz

Die Studienergebnisse zeigen, dass die Pflege auf räumliche Distanz zu speziellen Herausforderungen führen kann. So geben zum Beispiel 75 Prozent der Befragten an, dass es sie belaste, wegen der Entfernung in Notsituationen nicht vor Ort helfen zu können. Nicht wenige fühlen sich darüber hinaus in ihrer Rolle falsch wahrgenommen.

 

 

Zentrale Ergebnisse

  • 77 Prozent der Befragten geben an, die pflegebedürftige Person mindestens einmal pro Woche persönlich zu treffen.
  • Die Studienteilnehmerinnen und -nehmer leisten am häufigsten „Informationsbeschaffung und administrative Unterstützung“ (78 Prozent) sowie „emotionale Unterstützung“ (76 Prozent).
  • 68 Prozent unterstützen bei der „hauswirtschaftlichen Versorgung“ und 63 Prozent bei der „Mobilität und sozialen Einbindung“.
  • 22 Prozent der Pflegenden auf Distanz berichten, dass sie auch „persönliche Pflege“ wie Hilfe bei der Körperpflege, der Medikamentenanwendung, beim Anziehen, beim Essen und Trinken leisten.
  • Insgesamt 41 Prozent geben an, dass sie mit ihrer Situation im Pflegekontext eher oder sehr unzufrieden sind.
  • Bei einer Entfernung von zwei Stunden oder mehr zur pflegebedürftigen Person erhöht sich dieser Anteil auf 61 Prozent der Befragten.

Die Befragten berichten von verschiedenen Herausforderungen in Bezug auf ihre allgemeine Situation als Pflegende:

  • 49 Prozent fühlen sich durch den zeitlichen Aufwand belastet.
  • 38 Prozent der erwerbstätigen Pflegenden erleben berufliche Einschränkungen, die belastend wahrgenommen werden.
  • 21 Prozent geben eine Belastung durch den finanziellen Aufwand der Unterstützung an.
  • 59 Prozent der Befragten, die bereits vor der Corona-Pandemie in der Pflegesituation geholfen haben, sagen in der Folge sei dies für sie schwieriger geworden.

In der Studie werden außerdem Herausforderungen und Probleme thematisiert, die insbesondere mit der Pflege auf räumliche Distanz verbunden zu sein scheinen. Als belastend empfinden von den Befragten:

  • 75 Prozent, die fehlende Möglichkeit in Notsituationen besser helfen zu können,
  • 64 Prozent, durch die räumliche Distanz zu wenig Einblick in die aktuelle Lage der pflegebedürftigen Person zu haben,
  • 63 Prozent, wegen der räumlichen Distanz nicht besser vor Ort unterstützen zu können,
  • 41 Prozent, dass der Umfang der Unterstützung von anderen Personen nicht richtig wahrgenommen wird, weil die auf Distanz Pflegenden nicht so oft vor Ort sichtbar sind.

Zudem werden potenziell kränkende und konfliktfördernde Erfahrungen mit der pflegebedürftigen Person oder anderen Personen im sozialen Umfeld gemacht, die ebenfalls mit der Distanzsituation in Verbindung stehen können:

  • 38 Prozent der Befragten geben an, die pflegebedürftige Person vermittle ihnen das Gefühl, dass sie zu wenig bei dieser sein würden.
  • 17 Prozent sagen, Dritte vermittelten ihnen das Gefühl, sie würden sich zu wenig in die Pflegesituation einbringen.
  • Etwa jede Siebte bzw. jeder Siebte hat den Eindruck, andere unterstellten, sie bzw. er würden die Distanz als Ausrede benutzten, um manche Aufgaben im Pflegekontext nicht zu übernehmen.

 

Veröffentlichung dieser Studie: August 2022
Autoren dieser Studie: Dr. Simon Eggert, ZQP | Dr. Christian Teubner, ZQP