Pflegesicherheit und Sicherheitskultur
Pflegesicherheit ist eine Grundvoraussetzung für gute Pflegequalität und ein wichtiges Präventionsthema. Prävention ist wiederum eine zentrale Aufgabe der professionellen Pflege. Laut der Nationalen Präventionskonferenz umfasst Prävention die Förderung von Gesundheit, Sicherheit und Teilhabe. Dazu gehört unter anderem, gesundheitliche Risiken bei Patienten und Patientinnen bzw. pflegebedürftigen Menschen im Rahmen der professionellen Pflege zu verringern und sie vor gesundheitlichen Schäden zu bewahren.
InhaltsverzeichnisInhaltsverzeichnis minimieren
Einleitung
Wissen
- Pflegebezogene Risiken
- Definition von Pflegesicherheit und kritischen Ereignissen
- Ursachen von kritischen Ereignissen
- Bedeutung der Sicherheitskultur in der Pflege
- Maßnahmen zur Stärkung der Sicherheitskultur
Welche Bedeutung hat Pflegesicherheit?
Professionelle Pflege dient unter anderem der sicheren Versorgung und dem Gesundheitsschutz der Menschen, die sie in Anspruch nehmen. Dabei birgt sie selbst auch gesundheitliche Risiken für pflegebedürftige Menschen – insbesondere dann, wenn die Pflege nicht so ist, wie sie aus fachlicher Sicht sein sollte.
Pflegebezogene Risiken
Pflegebezogene Risiken sind gesundheitliche Gefahren, die für Menschen mit pflegerischem Unterstützungsbedarf im Rahmen der Pflege bestehen. Sie sind beispielsweise verbunden mit der Medikation, der Körperpflege, der Wundversorgung, der Mobilisation, dem Umgang mit Hilfsmitteln und der Informationsweitergabe. Auch Gewaltvorkommnisse stellen ein Gesundheitsrisiko dar.
Magazin zum Thema
Das Stiftungsmagazin ZQP diskurs 2025 beleuchtet unter anderem das inhaltliche Schwerpunktthema „Pflegesicherheit“ und wie Pflegedienste ihre Sicherheitskultur stärken können. Der Leitartikel bietet etwa eine Erklärung für den Begriff Pflegesicherheit und seine Bedeutung für Praxis und Politik.

Stiftungsportrait
Magazin ZQP diskurs 2025
Was ist Pflegesicherheit?
Das Thema Sicherheit in der professionellen Pflege, insbesondere in der Langzeitpflege, wird bisher in Deutschland wenig im Fachdiskurs aufgegriffen. Dementsprechend fehlt auch die Verbreitung darauf zielender spezifischer Begriffe, Konzepte und Instrumente. Dabei sind etwa der fachlich etablierte Begriff „Patientensicherheit“ [engl. patient safety] und damit verbundene Instrumente nicht vollständig passend. Dieser wird eher mit medizinischer Behandlung und Akutpflege und weniger mit professioneller Langzeitpflege in Verbindung gebracht. Zudem wird der Begriff Patient oder Patientin hierzulande in der Regel im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme medizinischer beziehungsweise therapeutischer Behandlung verwendet. Pflegebedürftige Menschen sind jedoch nicht primär Empfänger oder Empfängerinnen entsprechender Leistungen – und werden nicht unbedingt als Patienten oder Patientinnen betrachtet, auch nicht, wenn sie beispielsweise in einer Langzeitpflegeeinrichtung leben.
Das ZQP hat sich dem Thema Sicherheit in der professionellen Pflege angenommen und daher unter anderem den Begriff „Pflegesicherheit“ geprägt.
Dieser stellt einen komplementären Begriff zu den verschiedenen Fassungen von Patientensicherheit im deutschen Sprachraum dar, der die Translation von „patient safety“ insbesondere in die Langzeitpflegepraxis fördern soll.
Pflegesicherheit ist das Ergebnis aller Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, Menschen mit pflegerischem Unterstützungsbedarf vor vermeidbarem Gesundheitsschaden und Leid zu schützen, die im Zusammenhang mit der professionellen Pflege entstehen können.
Ein hohes Maß an Pflegesicherheit stellt daher die Grundvoraussetzung für gute Pflegequalität dar und ist damit ein zentrales Ziel der professionellen Pflege. Zudem ist mit Pflegesicherheit ein erhebliches und sehr wahrscheinlich noch zu wenig realisiertes Präventionspotenzial verbunden.
Was sind kritische Ereignisse in der Pflege?
Der Begriff kritische Ereignisse ist im Fachdiskurs zur Patientensicherheit, insbesondere in Zusammenhang mit Berichts- und Lernsystemen, verbreitet. Er steht hierbei allgemein für Vorkommnisse im Rahmen der Gesundheitsversorgung, die Patienten oder Patientinnen schaden oder schaden können. Allerdings beziehen sich die Definitionen im deutsch- sowie englischsprachigen Raum i. d. R. auf die Akutversorgung und variieren dazu inhaltlich je nach Fachdisziplin und Autorenschaft.
Auf Basis der einschlägigen Fachliteratur können kritische Ereignisse in der professionellen Langzeitpflege als Vorkommnisse in Zusammenhang mit der pflegerischen Versorgung verstanden werden, welche das Risiko für einen Gesundheitsschaden bei der versorgten Person erhöhen oder einen Gesundheitsschaden bei ihr verursachen.
Ein kritisches Ereignis kann – muss aber nicht unbedingt ein Fehler sein. Fehler bedeutet, dass ein aus fachlicher Sicht angezeigtes Handeln gar nicht, falsch oder ohne Plan erfolgt.
Vermeidbare Vorkommnisse, die zu erheblichen gesundheitlichen Schäden bis hin zum Tod der versorgten Person führen können, werden als Never Events bezeichnet.
Wodurch kommt es zu kritischen Ereignissen?
Für kritische Ereignisse gibt es unterschiedliche individuelle und strukturelle bzw. systembedingte Gründe. Oftmals wirken verschiedene Faktoren zusammen, beispielsweise ungenügende Kommunikation, fehlendes Wissen, Unachtsamkeit und Zeitdruck der an der Versorgung beteiligten Personen, unklare Handlungs- und Entscheidungsprozesse sowie räumliche und technische Hindernisse.
Wie es zu kritischen Ereignissen kommen kann, veranschaulicht das „Schweizer-Käse-Modell“. Die Käsescheiben stellen beispielhafte Einflussebenen dar, die Barrieren zum Schutz vor entsprechenden Ereignissen bilden. Die Löcher stehen für Schwachpunkte, die als Risiken für kritische Ereignisse gelten. Wenn mehrere Käsescheiben an derselben Stelle ein Loch haben, kommt es leicht zu einem kritischen Ereignis. Je weniger Löcher oder Schwachpunkte es gibt, umso stärker ist der Schutz vor Ereignissen.
Welche Bedeutung hat die Sicherheitskultur in der Pflege?
Bedeutung für die Pflegesicherheit
Zur Verringerung von gesundheitlichen Risiken in der professionellen Gesundheitsversorgung trägt eine positive Sicherheitskultur in den Organisationen bei. Hierüber sind sich Experten und Expertinnen international einig. Sicherheitskultur ist die Art und Weise, wie sich die Mitarbeitenden einer Organisation für sicherheitskritische Probleme engagieren. Sie ergibt sich aus den in der Organisation vorherrschenden Werten, Normen, Haltungen, Kompetenzen und Verhaltensweisen. Eine positive Sicherheitskultur zeigt sich unter anderem in einem offenen, lernenden und konstruktiven Umgang mit Risiken und kritischen Ereignissen, wie zum Beispiel Fehlern. Im Fokus der Sicherheitskultur in der Pflege steht die Pflegesicherheit.
Aktuelle Entwicklung in Deutschland
Das Thema Sicherheitskultur in der Pflege ist in Deutschland kaum etabliert, wie Studienergebnisse des ZQP zeigen. Ein Grund könnte sein, dass der Fachdiskurs um Sicherheitskultur bisher von der medizinischen Sichtweise geprägt ist – und in Deutschland zudem erst etwa seit den 2000er Jahren wahrgenommen wird. Hinsichtlich aktueller Entwicklungen ist die Veröffentlichung des Nationalen Gesundheitsziels Patientensicherheit zu nennen, das im Rahmen der interdisziplinären Initiative gesundheitsziele.de erarbeitet wurde. Hierbei wird die hohe Bedeutung der Sicherheitskultur in der Patientenversorgung, einschließlich der Pflege, herausgestellt. Des Weiteren ist in diesem Kontext die Konzertierte Aktion Pflege (KAP) der Bundesregierung relevant. Laut den KAP-Vereinbarungen von 2019 ist in allen ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen (und Krankenhäusern) eine „moderne und wertschätzende Fehler- und Lernkultur zu etablieren“. Unter anderem ist hierzu ein „zentrales Online-Meldesystem für die ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen“ einzurichten. Allerdings gibt es keine konkreten gesetzlichen Anforderungen zur Implementierung von Sicherheitskultur oder entsprechenden Instrumenten für Pflege-Settings. Entscheidend für die Realisierung wird daher in besonderem Maße ein Vorgehen sein, das Akzeptanz und Motivation in den Organisationen erreichen kann.
Wie kann eine positive Sicherheitskultur in der Pflege gestärkt werden?
- Wissen
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Wichtige Voraussetzungen für eine positive Sicherheitskultur sind unter anderem das Wissen der Mitarbeitenden über Sicherheitsrisiken sowie Kompetenzen zu deren Reduzierung. Aber auch das Wissen von pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen über gesundheitliche Risiken sowie ihre Motivation und Kompetenz, diese durch das eigene Verhalten zu minimieren, haben erheblichen Einfluss. Dementsprechend bedeutsam ist die Wissens- und Kompetenzvermittlung bei professionell und familial Pflegenden sowie pflegebedürftigen Menschen bzw. Patienten und Patientinnen. Je nach Zielgruppe kann dies durch Information und Aufklärung, praktische Schulung sowie in Aus- und Fortbildung erfolgen.
- Kommunikation
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Ein Schlüsselfaktor der Sicherheitskultur ist die Kommunikation. Ein wertschätzender Umgang sowie eine offene, konstruktive Kommunikation – auch über kritische Ereignisse in der Pflege – sind wesentliche Voraussetzungen für eine positive Sicherheitskultur in der Pflege. Besondere Verantwortung hierfür haben Leitungspersonen, unter anderem durch beispielgebendes Verhalten. Des Weiteren ist ein guter Informationsfluss zwischen allen an der Versorgung Beteiligten wie Pflegebedürftigen, Angehörigen, professionell Pflegenden, Ärzten und Ärztinnen, Apothekern und Apothekerinnen bedeutsam.
- Berichts- und Lernsysteme
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Zur Stärkung von Sicherheitskultur in Gesundheitseinrichtungen kann die Nutzung von digitalen Berichts- und Lernsystemen (Critical Incident Reporting Systems, CIRS) beitragen. Richtig angewendet, können sie für Risiken sensibilisieren und Lerneffekte fördern. Mitarbeitende können hierbei Ereignisse anonym berichten. Daraus werden Maßnahmen abgeleitet, um solche Ereignisse in Zukunft zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund stellt das ZQP ein Pflege-CIRS für die professionelle Langzeitpflege zur Verfügung.
- Partizipative Organisationsentwicklung
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Erfolgversprechend ist die Implementierung von Sicherheitskultur in der Pflege im Rahmen partizipativer Organisationsentwicklung. Leitungspersonen sollten den Weg durch Motivation, Initiative und Unterstützung ebnen. Für eine wirksame und nachhaltige Entwicklung von Sicherheitskultur ist die Beteiligung von Mitarbeitenden, zu versorgenden Menschen, Angehörigen und weiteren an der Organisation Mitwirkenden relevant. Konkrete Ziele und Maßnahmen sollten auf Basis einer systematischen Bestandsanalyse zur Sicherheitskultur festgelegt werden. Neben Schulungen der Mitarbeitenden zu dem Thema sind klare Handlungsrichtlinien wichtig.
Beispiele für konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Sicherheitskultur in Pflegeorganisationen
- Schulungen/Fortbildungen zu sicherheitsrelevanten Themen für alle Mitarbeitenden ermöglichen, Train-the-Trainer oder Multiplikatoren/Multiplikatorinnen einsetzen
- leicht zugängliche Informations-, Schulungs- und weitere Interventionsmaterialien einsetzen, um für das Thema Pflegesicherheit und Sicherheitskultur zu sensibilisieren und Wissen zu vermitteln
- Kommunikationstraining und Maßnahmen zum Teambuilding einsetzen, z. B. mithilfe von TeamSTEPPS®
- gemeinsames Verständnis von Sicherheitskultur in der Einrichtung definieren, das heißt, was Sicherheitskultur bedeutet, was dazu gehört, wie sie gestärkt werden soll
- Fähigkeit zur Selbstreflexion und zum kritischen Denken im Hinblick auf sicherheitsrelevante Einstellungen, Prozesse und Strukturen in der Organisation bei allen Mitarbeitenden fördern
- vertrauensbasierte Atmosphäre schaffen, in der Sicherheitsbedenken ohne Angst vor negativen Konsequenzen angesprochen werden können
- konstruktiv mit kritischen Ereignissen umgehen, um daraus zu lernen, z. B. digitales Berichts- und Lernsystem (CIRS) nutzen
- systematische Bestandsaufnahme der Sicherheitskultur und Risikoanalyse in der Organisation regelmäßig durchführen, Maßnahmen evaluieren und Zielsetzungen entsprechend anpassen
- Methode der partizipativen Organisationsentwicklung etablieren, individuelles Verantwortungsbewusstsein aller Mitarbeitenden stärken
Übersicht
Weitere Beiträge des ZQP zum Thema Pflegesicherheit und Sicherheitskultur
Sensibilisierung, Aufklärung und Kompetenzentwicklung sowie eine offene, konstruktive Kommunikation in Pflegeeinrichtungen und Diensten sind also wichtige Voraussetzungen für Sicherheitskultur in der Pflege. Das ZQP will mit seiner Arbeit dazu beitragen, Pflegesicherheit und Sicherheitskultur in der Pflege zu stärken. Darum führt die Stiftung seit einigen Jahren verschiedene Projekte hierzu durch. So hat das ZQP gemeinsam mit Experten und Expertinnen aus Praxis, Wissenschaft und Politik zentrale Handlungsfelder der Pflegesicherheit identifiziert und in einem Ergebnispapier veröffentlicht. Daneben hat das ZQP einen Studienbericht über Instrumente zur Stärkung von Sicherheitskultur in der Pflege vorgelegt sowie Arbeits- und Schulungsmaterial zur Stärkung der Sicherheitskultur für Pflegeorganisationen entwickelt. Aktuell setzt die Stiftung das Praxisprojekt „PriO-a“ um, in dessen Rahmen weiteres Praxismaterial sowie ein bundesweites, einrichtungsübergreifendes Berichts- und Lernangebot für die professionelle Langzeitpflege – das Pflege-CIRS – entwickelt werden.
Angebote und Projekte
Hier finden Sie eine Übersicht aktueller Angebote und Projekte zum Themenbereich Pflegesicherheit und Sicherheitskultur.
Sie suchen etwas Bestimmtes? Nutzen Sie unsere Suche oder stöbern Sie bei verwandten Themen.
- Projekt Sicherheitskultur im ambulanten Pflegesetting (Präventionsprojekt "PriO-a")
- Analyse Sicherheitskultur in der ambulanten Pflege – 2020
- Analyse Medikation in der häuslichen Pflege aus Sicht pflegender Angehöriger – 2019
- Projektbericht Sicherheitskultur in der ambulanten Pflege
- Projektbericht Perspektivenwerkstatt – Patientensicherheit in der ambulanten Pflege
- Studie Patientensicherheit in der ambulanten Pflege (PERHAPS)
- Arbeitsmaterial Stärkung der Sicherheitskultur in Pflegeorganisationen
- Magazin ZQP diskurs 2025: Pflegesicherheit
- Artikel ZQP diskurs 2024: Digitales Berichts- und Lernangebot für die Pflege
- Interview ZQP diskurs 2023: „Mit PriO-a unterstützen wir Pflegedienste, ihre Sicherheitskultur zu stärken“
- Kurzratgeber Sicherheit bei der Medikation
- Video Sicherheit bei der Medikation