Interview

"Das Thema Pflege ist eine persönliche Herzensangelegenheit geblieben“

Christa Stewens ist seit Gründung des Zentrums für Qualität in der Pflege Vorsitzende des Stiftungsrats. Die Bayerische Staatsministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen a. D. blickt auf die vergangenen 15 Jahre Stiftungsarbeit zurück.

Frau Stewens, Sie haben die Arbeit des ZQP als Stiftungsratsvorsitzende von Beginn an begleitet. Was hat Sie dazu bewegt, dieses Ehrenamt vor 15 Jahren anzunehmen?

Die Überzeugung, dass Pflegebedürftigkeit, und alles was damit einhergeht, eine zentrale gesellschaftliche und familiäre Herausforderung in den kommenden Jahrzehnten sein wird. Pflege war ja bereits zuvor ein wichtiges Thema in meinem politischen Engagement in Bayern als Staatsministerin und ist immer eine persönliche Herzensangelegenheit geblieben. Deswegen fand ich das gesellschaftliche Engagement des PKV-Verbands, die gute Versorgung älterer pflegebedürftiger Menschen jenseits einer politischen Verortung auf einer gemeinnützigen Plattform zu stärken, absolut unterstützenswert.

„Das ZQP verfolgt seit seiner Gründung konsequent den Ansatz des Theorie-Praxis-Transfers.“

Wenn Sie auf die letzten 15 Jahre zurückblicken: Was ist für Sie der Kern der ZQP-Stiftungsarbeit?

Das ZQP ist eine operative Stiftung und arbeitet deswegen selbst inhaltlich an seinen Themen; es verfügt daher über echte Expertise. Wir wollen ein Impulszentrum sein für die Pflegepraxis. Für uns als gemeinnützige Stiftung war es immer wichtig, nicht nur wissenschaftsbasierte Theorien zu erarbeiten, sondern dass unsere Arbeitsergebnisse in der Praxis ankommen und somit einen Beitrag dazu leisten, die ambulante wie auch die stationäre Pflegepraxis ein Stück weit zu unterstützen.

Die Stiftung ist also nicht nur etwas für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Es geht hier immer auch darum, hilfreiche kostenlose Angebote für berufliche Praktikerinnen und Praktiker sowie für pflegende Angehörige zu schaffen. Das soll im Ergebnis pflegebedürftigen Menschen nützen und sie schützen – und Pflegende stärken. Daher verfolgt das ZQP seit seiner Gründung konsequent den Ansatz des Theorie-Praxis-Transfers.

Neben dem konsequenten Umsetzen des Theorie-Praxis-Transfers: Was ist für Sie noch besonders am ZQP?

Außerdem ist das Team des ZQP für mich etwas Besonderes. Viele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind schon seit den ersten Jahren dabei. Nach allem, was ich wahrnehmen kann, herrschen personelle Kontinuität und ausgesprochene Kollegialität bei gleichzeitiger Kompetenz. Und das nötige Arbeitsethos ist auch spürbar. Dem entspricht wiederum, was ich in der Zusammenarbeit mit dem Vorstand erlebe: eine Zusammenarbeit, die vertrauensvoll, transparent, freundlich und zugleich sehr professionell ist. Jeder Aspekt davon ist ja keine Selbstverständlichkeit.

Ist mit dieser Kontinuität der Köpfe auch eine Kontinuität der Themen verbunden?

Ja, das wollten wir so, das war die Gründungsstrategie: Erstens sollte das häusliche Versorgungssetting ein echter Kern der Stiftungsarbeit sein. Vor 15, 20 Jahren wurde ja fast immer auf die stationäre Pflege geschaut. Und wir wollten inhaltlich zwei Pfaden parallel folgen – nämlich innovative oder unpopuläre Themen aufgreifen. Also solche, die im Pflegekontext oft noch wenig Aufmerksamkeit erfahren hatten, sollten angestoßen werden – mit der Absicht, dass andere Akteurinnen und Akteure einige dieser Themen für sich entdecken und weiterentwickeln würden. Oder zumindest von unserem Engagement bei ihrer Arbeit profitieren könnten. Zugleich sollten dabei Schwerpunkte entstehen, laufend eng geführt und inhaltlich fortentwickelt werden. Und das, was wir da heute als Arbeitsschwerpunkte haben – Prävention bei Pflegebedürftigkeit und sichere Pflege ohne Gewalt –, resultiert im Grund aus Projekten, die innerhalb der ersten zwei Jahre als Basis gelegt wurden.

Hat es aus Ihrer Sicht denn auch gravierende Veränderungen gegeben?

Also zunächst einmal: Die heutige Verankerung des ZQP ist ja keine Selbstverständlichkeit, denn das ZQP hat keine definierte Rolle im System. Niemand hätte unsere Arbeit beachten müssen, wenn nicht die Ergebnisse überzeugt hätten. Ich glaube, vor 15 Jahren hätten sich die wenigsten Beobachterinnen und Beobachter vorstellen können, welches Renommee sich die Stiftung noch erarbeiten würde. Als wir die Geschäftsstelle im Juni 2010 eröffnet haben, gab es den Vorstandsvorsitzenden und zwei Mitarbeiter, heute sind es 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Ein solcher Erfolg bringt natürlich auch Veränderungen mit sich: Die Anfragen und Ansprüche an das ZQP wachsen, das Team ist entsprechend größer geworden. Da muss eine Organisation innerlich mitwachsen – sonst wächst es ihr über den Kopf. Das ist insofern ein ständiger Veränderungsprozess, der gut ist und den der Vorstandsvorsitzende sehr erfolgreich steuert. Und dann sind im Laufe der Jahre natürlich auch immer wieder Wegbegleiterinnen und -begleiter ausgeschieden, mit denen man im ZQP zusammengewachsen ist. Das sind auch Einschnitte, die einem nicht gefallen.

„Das, was wir da heute als Arbeitsschwerpunkte haben – Prävention bei Pflegebedürftigkeit und sichere Pflege ohne Gewalt –, resultiert im Grund aus Projekten, die innerhalb der ersten zwei Jahre als Basis gelegt wurden.“

Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen wird in den kommenden Jahren weiter deutlich wachsen. Welche Gedanken kommen Ihnen da?

Zunächst einmal: Es ist nicht alles schrecklich. Die tägliche Realität im Pflege- und Gesundheitssystem, in den Familien, aber auch die ZQP-Projekte zeigen immer wieder, wie viele Pflegende aus dem Berufsfeld und Angehörige hoch motiviert und engagiert sind, das Beste für pflegebedürftige Menschen möglich zu machen. Auch auf Leitungsebene und im Management von Einrichtungen und Diensten gibt es viele Leute, die ihre jeweilige Organisation besser machen, als andere sind. Das ist eine Qualität, und wir müssen das stärker bemerken – und auch stolz darauf sein dürfen.

Aber die Herausforderungen sind eben trotzdem erheblich: Fachkräftemangel und daher zum Teil Einsatz von Menschen, die für die Pflege persönlich nicht wirklich geeignet oder nicht hinreichend qualifiziert sind. Eine geringer werdende Zahl an Angehörigen pro pflegebedürftiger Person, die zudem teilweise räumlich weit von den Pflegebedürftigen entfernt leben, bei einer wachsenden Zahl von allein lebenden älteren Menschen gerade in den Städten. Und die Frage, wie die immer teurer werdenden Leistungen, die von immer mehr Menschen gebraucht werden, von immer weniger jungen Erwerbstätigen finanziert werden sollen.

Welchen Beitrag kann das ZQP leisten, damit die aktuellen und künftigen Herausforderungen in der Pflege besser zu bewältigen sind?

Ich halte es für ungeheuer wichtig, verstärkt auf die Prävention zu blicken. Und das tun wir auch im ZQP. Ich glaube, mit Blick auf die Probleme – wie zum Beispiel den Fachkräftemangel – wird schnell klar: Wir werden die Herausforderungen nur meistern, wenn wir Prävention als Brücke über die Pflegekrise verstehen. Darum sind Konzepte und Instrumente, um Pflegebedürftigkeit möglichst zu vermeiden, hinauszuzögern oder deren Fortschreiten entgegenzuwirken, dringend gefragt. Dank der zusätzlichen Mittel, die unser Stifter, der PKV-Verband, Anfang des Jahres zur Verfügung gestellt hat, wird das ZQP sein Engagement in diesem Bereich weiter ausbauen – zum Beispiel bei den Themen Pflegesicherheit oder Gewaltprävention werden neue Projekte und Angebote entstehen.

„Ich halte es für ungeheuer wichtig, verstärkt auf die Prävention zu blicken. Und das tun wir auch im ZQP.“

Was wünschen Sie dem ZQP für die Zukunft?

Ich wünsche mir, dass die positive Haltung und die konstruktive Zusammenarbeit in den Organen und Gremien so bestehen bleibt.

Ich wünsche mir außerdem, dass wir weiterhin ein gutes Gespür für die wichtigen Themen, die passenden Formate und die richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, um diese Themen voranzubringen. Und natürlich, dass die Arbeit der Stiftung wahrgenommen und wertgeschätzt wird, denn sonst macht Arbeit keinen Spaß.

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Dieses Interview ist ein Auszug aus dem jährlich erscheinenden Fachmagazin ZQP diskurs. Das Magazin kann kostenfrei heruntergeladen werden. Wenn Sie mehr zu unserer Arbeit und unserem Team erfahren möchten lesen Sie gerne im Über-Uns-Bereich weiter.