Gewaltprävention in der Pflege

Finanzielle Ausbeutung

Finanzielle Ausbeutung ist eine der wesentlichen Formen von Gewalt. Ältere pflegebedürftige Menschen sind dabei besonders verletzlich. Finanzielle Ausbeutung kann ökonomische Schäden verursachen sowie die Gesundheit und die Lebenssituation erheblich beeinträchtigen. Zur Prävention sind Sensibilisierung und Aufklärung hochrelevant.

Was ist finanzielle Ausbeutung?

Eine einheitliche Definition von finanzieller Ausbeutung älterer pflegebedürftiger Menschen gibt es nicht. In der Forschung wird finanzielle Ausbeutung vielfach als Oberbegriff für finanziellen Missbrauch älterer Menschen [engl. financial elder abuse] sowie Betrug und Trickdiebstahl [engl. fraud/scam] verwendet. Diese gelten als die beiden maßgeblichen Formen der finanziellen Ausbeutung älterer Menschen.

  • Finanzieller Missbrauch ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass eine persönliche Beziehung oder ein Vertrauensverhältnis zu einer älteren pflegebedürftigen Person ausgenutzt wird. Beispiele sind: Unterschlagung oder Diebstahl von Geld oder Wertsachen, Nötigung zu Geschenken oder Testamentsänderungen, Missbrauch von Vollmachten oder finanzielle Bevormundung pflegebedürftiger Menschen, etwa um das potenzielle Erbe zu bewahren. Finanzieller Missbrauch findet somit insbesondere im Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis oder im erweiterten Unterstützungsbereich statt. Dabei können die Grenzen zwischen Schädigungsabsicht, unreflektiertem Unterstützungsversuch und Missverständnis verschwimmen. Zudem kann es sehr schwierig sein, objektives Fehlverhalten klar zu identifizieren beziehungsweise von Vermutungen, Verdächtigungen und unterschiedlichen Wahrnehmungen der Beteiligten abzugrenzen.
  • Betrug/Trickdiebstahl sind durch Tatvorsatz charakterisiert, häufig verübt durch kriminelle und zum Teil international vernetzte oder transnational agierende Gruppen oder Netzwerke. Dabei werden falsche Tatsachen wie eine Notlage, eine Freundschaft, eine Romanze (Romance Scam), ein Geldgewinn oder eine Kapitalanlagechance vorgetäuscht, um an Geld, persönliche Daten oder in die Wohnung zu gelangen. Beispiele sind Schockanrufe oder Textnachrichten nach dem Muster „Enkeltrick“ oder „falscher Polizist“ sowie Phishing über E-Mails. In der Regel besteht keine persönliche Beziehung. Oft wird Kontakt über Telefon oder Internet aufgenommen.

Die Abgrenzung der beiden Felder ist dabei keine juristische. Denn zum Beispiel können gerade Betrugsdelikte, die eine pflegebedürftige Person schädigen, durch Angehörige oder vermeintliche Freunde begangen werden. Dies wird dann nach der vorliegenden Definition als finanzielle Ausbeutung verstanden.

Ein Graubereich sind unvorteilhafte Geschäfte und Vertragsschlüsse durch fragwürdige, aber in der Regel nicht strafbare Vertriebsmethoden.

Was ist zur Häufigkeit von finanzieller Ausbeutung bekannt?

Wie häufig finanzielle Ausbeutung älterer Menschen vorkommt und wie hoch die damit verbundenen Schäden sind, kann nicht genau beantwortet werden. Der Kenntnisstand zum Vorkommen von finanzieller Ausbeutung bei älteren pflegebedürftigen Menschen ist noch geringer. Dazu trägt unter anderem bei, dass diese Personen für Befragungen schwer zu erreichen sind, etwa wegen der Pflegebedürftigkeit oder der Wohnsituation. Die amtliche Kriminalstatistik erfasst nur alle der Polizei bekannt gewordenen Straftaten. Vermutlich berichten viele nicht von Vorfällen, etwa aus Scham oder Sorge vor Einschränkung ihrer finanziellen Selbstbestimmung. Es ist von einem erheblichen Dunkelfeld auszugehen.

Verschiedene Prävalenzschätzungen aus den USA zeigen, dass ungefähr 5 Prozent der über 60-Jährigen von finanzieller Ausbeutung betroffen sind – wobei mit einer Untererfassung zu rechnen ist. In Bezug auf Betrug bei älteren Menschen errechnete eine Metaanalyse eine Prävalenz von 5,4 Prozent. Für den inzwischen wesentlichen Bereich Onlinebetrug wurden 2023 vom Internet Crime Complaint Center (IC3) des FBI bei Personen ab 60 Jahren insgesamt rund 100.000 Fälle von Onlinebetrug mit einem Gesamtschaden von 3,4 Milliarden US-Dollar erfasst. Zu den häufigsten Betrugsformen mit den höchsten Schadenssummen gehören: falscher technischer Support, Investitionsbetrug und Romance Scams. Die durchschnittliche Schadenssumme für diese 3 Formen lag bei Personen ab 60 Jahren jeweils rund doppelt so hoch wie bei Jüngeren.

Für Deutschland legen bisher unveröffentlichte Daten des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zu Cyberkriminalität nahe, dass Personen ab 70 Jahren von Betrug beim Online-Banking beziehungsweise Missbrauch von Kontodaten, Betrug durch falsche Supportmitarbeitende sowie Romance Scam vergleichsweise stark betroffen sind. In knapp der Hälfte der Fälle wurde ein finanzieller Schaden berichtet. Über alle Studienteilnehmenden hinweg wurde dies nur in einem Viertel der Fälle angegeben. Auswertungen des Landeskriminalamts (LKA) Berlin geben grobe Anhaltspunkte zum Schadenspotenzial durch den Missbrauch von Vollmachten: Die dort bearbeiteten Verdachtsfälle von 2017 bis 2019 ergaben einen durchschnittlichen Schaden von jeweils über 100.000 Euro, mit einem Wert von 144.000 Euro für 2019.

ZQP-Analyse Finanzielle Ausbeutung

Die aktuelle ZQP-Analyse beleuchtet erstmals die finanzielle Ausbeutung pflegebedürftiger Menschen und die Perspektive pflegender Angehöriger in Deutschland. Sie vermittelt einen Eindruck vom Umgang pflegebedürftiger Menschen mit finanziellen Angelegenheiten sowie zu Befürchtungen und Erfahrungen im Themenfeld finanzielle Ausbeutung.

Was sind Risikofaktoren für finanzielle Ausbeutung?

Bei finanzieller Ausbeutung werden insbesondere gesundheitliche und soziale Vulnerabilitäten älterer Menschen ausgenutzt. Hierbei wird versucht, von möglichen Überforderungen und Kompetenzverlusten zu profitieren sowie Bedürfnisse, Abhängigkeiten, Ängste und Sehnsüchte auszubeuten. Dies basiert auf verschiedenen Formen von Manipulation, Einschüchterung und Täuschung.

Risikofaktoren für finanzielle Ausbeutung älterer Menschen sind individuell. Sie unterscheiden sich je nach Art der finanziellen Ausbeutung, zum Teil auch von den üblichen Risikofaktoren anderer Formen der Gewalt gegen ältere Menschen.

Gefährdet sind insbesondere:

  • pflegebedürftige Menschen – vor allem für finanziellen Missbrauch
  • Menschen mit leichten kognitiven Einschränkungen sowie Demenz – insbesondere in Bezug auf Betrug
  • alleinlebende ältere Menschen
  • Menschen mit größeren sozialen Netzwerken oder Konflikten im Netzwerk – umgekehrt korreliert eine als gut empfundene soziale Unterstützung mit einem geringeren Risiko für finanzielle Ausbeutung

Viele Aspekte finanzieller Ausbeutung können über digitale und mobile Anwendungen aus räumlicher Distanz verwirklicht werden, zum Beispiel: Kontaktaufnahme, Beziehungsaufbau, Auflösung von Wertpapierdepots und Geldtransfer. Diesbezüglich dürfte die Digitalisierung neue und erweiterte Möglichkeiten mit sich bringen.

Was sind die Folgen von finanzieller Ausbeutung?

Finanzielle Ausbeutung und Schädigung können weitreichende Folgen für Betroffene und ihre Familien haben, zum Beispiel:

Gesundheitlich

Es kann zu psychischen und körperlichen Belastungen wie Scham, Stress, Depression und zunehmender Gebrechlichkeit kommen. Das Risiko für geistigen Abbau und Demenz ist erhöht. Der Pflegebedarf kann steigen. Dies kann auch Angehörige belasten. Ein vorzeitiger Umzug ins Pflegeheim kann die Folge sein.

Sozial

Das Vertrauen in Personen und Beziehungen kann stark beeinträchtigt sein und etwa zu sozialem Rückzug und Isolation führen. Dadurch kann sich die Versorgungsituation verschlechtern und eventuell die Pflege zu Hause nicht mehr möglich sein.

Finanziell

Es kann zu Vermögensverlusten bis hin zu Verarmung kommen. Dies kann erheblichen Einfluss auf die Versorgung haben. Zudem kann die Familie betroffen sein, etwa wenn diese finanzielle Schäden ausgleichen muss.

Die Sorge vor finanzieller Ausbeutung der pflegebedürftigen Person ist bei Angehörigen verbreitet und kann bei ihnen zusätzlich zu Belastungen beitragen. Das gilt insbesondere für Angehörige, die in räumlicher Distanz zur pflegebedürftigen Person leben (Distance Caregiver), sowie für Angehörige von Menschen mit Demenz.

Was können Ansätze zur Prävention von finanzieller Ausbeutung sein?

Bislang gibt es keine hinreichende Evidenz zur Wirksamkeit von Interventionen in Bezug auf die Prävention von finanzieller Ausbeutung älterer oder pflegebedürftiger Menschen. Prinzipiell sollten Maßnahmen an der individuellen Situation und relevanten Einflussfaktoren ausgerichtet sein.

Zur Prävention finanzieller Ausbeutung sind individuelle und gesellschaftliche Sensibilisierung und Aufklärung hochrelevant. Das betrifft zum Beispiel Wissen über Formen, Anzeichen und Folgen. Zu adressieren sind dabei insbesondere ältere pflegebedürftige Menschen, pflegende Angehörige sowie fachliche Akteure, zum Beispiel in Pflegeberatungsstellen und Pflegediensten. Hierbei erscheinen zielgruppengerechte Informationsangebote als wichtiger Baustein. Zudem gibt es Initiativen, die sich dafür einsetzen, älteren Menschen digitale Technologien zugänglicher zu machen, zum Beispiel der Digitalpakt Alter der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO).

Wichtig ist, dass ältere pflegebedürftige Menschen typische Betrugsmethoden kennen, auf Risikosituationen vorbereitet sind und angemessen reagieren können. Relevant sind zudem Kenntnisse über Risiken in Verbindung mit Vorsorge- und Bankvollmachten sowie Möglichkeiten, deren Missbrauch vorzubeugen. Zum Schutz vor Onlinebetrug kann die Förderung digitaler Kompetenzen helfen.

Pflegende Angehörige können maßgeblich zur Prävention finanzieller Ausbeutung beitragen: Sie können praktische Hilfe anbieten, zum Beispiel bei Bankangelegenheiten und Verträgen. Zudem können sie helfen, Risiken finanzieller Ausbeutung zu erkennen und geeignete Maßnahmen zur Vorbeugung umzusetzen. Wichtig ist daher gleichzeitig die Sensibilisierung Angehöriger für das Recht pflegebedürftiger Menschen auf finanzielle Selbstbestimmung, um unbewusste oder wohlmeinende Bevormundung zu vermeiden.

Weitere Informationen:

Artikel zum Thema

Im Stiftungsmagazin ZQP diskurs 2025 wird unter anderem die ZQP-Befragung zur Prävention finanzieller Ausbeutung älterer pflegebedürftiger Menschen vorgestellt.

Titelseite der Broschüre „Magazin ZQP diskurs 2025“

Stiftungsportrait

Magazin ZQP diskurs 2025

Zuletzt aktualisiert: 10.10.2025 Nächste vollständige Überarbeitung: 10.10.2030